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Licht

  • sehr gute Bildqualität schon bei Offenblende bis 500mm
  • extrem leicht und kompakt
  • sehr großer Zoombereich
  • schneller AF-Ultraschallmotor
  • Eingreifen in AF möglich
  • stabile Stativschelle


Schatten

  • bei 600mm offenblendig etwas weich
  • bei 600mm AF zeitweise nicht treffsicher
  • leichte Schwächen auf größeren Distanzen

Tamron SP 150-600 F/5-6,3 USD Di

07 2014

Sobald man in Besitz eines Superteles mit 500-600mm ist, stellt man bald fest, dass es Situationen gibt, in welchen ein leichtes Telezoom weit flexibler wäre, sei es nur als Alternative oder auch nur um den unteren Brennweitenbereich abzudecken. Das AF-S 80-400VR wäre eine gute Ergänzung, nur als flexible Alternative für Wildlife ist es einfach zu kurz. Von Sigma kenne ich das 150-500mm und das 50-500mm, die gehen allesamt am langen Ende deutlich in die Knie, was die Abbildungsleistung betrifft. Das Erscheinen des Tamron 150-600mm hat dann doch für Aufsehen gesorgt. Bis jetzt waren schon die Zooms bis 500mm doch sehr kompromissbehaftet. Ein Telezoom bis 600mm um gute 1000 Euro, kann das überhaupt etwas Gescheites sein? Die Recherchen machten mich aber zuversichtlich. Um diese Frage für mich zu beantworten, besorgte ich mir eine Variante mit Nikon-Anschluss. Die Nachfrage war übrigens derart groß, dass es lange nicht lieferbar war.


Erster Eindruck:

Für diesen Preis darf man natürlich keine haptischen Wunder erwarten, das Tamron 150-600 hat einen Tubus aus Kunststoff und ist vermutlich nicht so strapazierfähig wie eine Profilinse von Nikon. Dennoch fühlt es sich gut an, die Einstellringe laufen sauber und immerhin ist das Bajonett mit einer Dichtlippe versehen. Es handelt sich grundsätzlich um ein Drehzoom, man kann es aber auch als Schiebezoom verwenden. Für diesen Brennweitenbereich ist es mit seinen 2kg noch relativ leicht. Der Zoomring kann fixiert werden, das verhindert ein unbeabsichtigtes Herausfahren des Tubus beim Tragen. Die Stativschelle macht einen soliden Eindruck und funktioniert einwandfrei.


In der Praxis - optische Eigenschaften:

Getestet wurde mit der D800, die bekanntermaßen hohe Anforderungen an die Objektive stellt. Die Bildqualität ist bis 500mm selbst bei Offenblende sehr gut. Bei 600mm wird es etwas weicher, Auflösung und Kontrast lassen sichtbar nach, besonders am Rand, Abblenden auf f8 steigert Kontrast und Schärfe, selbst bei f11 sieht man noch eine leichte Verbesserung. Dem Sigma 150-500mm ist das Tamron deutlich überlegen, es ist offenblendig selbst bei 600mm besser als das Sigma bei 500mm, das neben der nachlassenden Auflösung auch stark mit Farbfehlern kämpft. Das Tamron braucht sich auch vor dem Nikon AF-S 80-400 VR nicht zu verstecken - das Nikon ist bei 400mm ungefähr gleich gut wie das Tamron bei 500mm. Im Nahbereich löst das 150-600 besonders gut auf, bei größere Distanzen hingegen ist ein leichter Abfall der Schärfe zu verzeichnen. Die Hintergrunddarstellung wirkt harmonisch.

Der AF ist sehr leise und schnell, es kann auch jederzeit manuell eingegriffen werden, nur bei 600mm wird er je nach den Lichtverhältnissen etwas langsamer und trifft auch nicht immer auf Anhieb. Zwar lässt sich der AF mit einem Schalter von 15m bis unendlich begrenzen, für Flugaufnahmen mit der Endbrennweite kann das dennoch problematisch werden. Aus all diesen Gründen meide ich eher die 600mm, in vielen Fällen ist das Ergebnis nicht schlechter, wenn man bei 500mm fotografiert und dann einen Ausschnitt wählt. Die Endbrennweite ist durch die geringe Schärfe bei Offenblende doch etwas kompromissbehaftet.

Als ideal hat sich in Verbindung mit der D800 der 1,2x Crop herausgestellt, da man dadurch den kritischen Bereich, den Rand ausklammert und gleichzeitig einen engeren Bildausschnitt erhält. Nebenbei erhöht dann bei der D800 die Serienbildgeschwindigkeit, und der interne Buffer kann mehr Bilder zwischenspeichern. Mit einem DX Gehäuse wird man zu einem ähnlichen Ergebnissen bei 600mm kommen, da die Pixeldichte vergleichbar oder sogar höher ist, aber Dank des 1,5x Crop entsprechen die 600mm vom Bildausschnitt her kleinbildäquivalenten 900mm, daher wird man auf die Endbrennweite ohnehin weniger angewiesen sein.
Anders verhält es sich bei den 600mm mit den FX Gehäusen D4/D750/D600 oder gar D3/D700, die stellen nicht so hohe Ansprüche an das Objektiv wie die D800.

Schon im Sucher ist gut die "beruhigende" Wirkung des Bildstabilisators erkennbar. Ein Gewinn von drei bis vier Blendenstufen ist durchaus realistisch. Wie bei vielen anderen Telezooms verkürzt sich auch beim Tamron 150-600mm die maximal erreichbare Brennweite im Nahbereich spürbar, das führt auch gleichzeitig zu mehr Schärfentiefe, was gerade bei der Telefotografie eher unerwünscht ist.

Da kommen wir gleich zum nächsten Punkt, zum Freistellvermögen. Hier ist das Zoom gegenüber einer lichtstarken Festbrennweite deutlich unterlegen! Das kann sich je nach Situation unterschiedlich stark auswirken. Fotografiere ich beispielsweise einen Eisvogel auf 5m Entfernung bei weit entferntem Hintergrund (Äste, Gras), werde ich bei 600mm auch noch mit f11 einen homogenen Hintergrund erhalten. Fotografiere ich aus 30m Entfernung einen Reiher, der sich nur knapp vor dem Schilf befindet, kann bei 600mm f4 noch in Ordnung sein, bei f5,6 aber schon der Hintergrund das Bild versauen.

Beim Gegenlicht gibt es keine besonderen Auffälligkeiten, ebenso sind Farbfehler eher unauffällig, am stärksten treten sie bei 600mm auf. Der Nahbereich von 2,7m ergibt einen max. Abbildungsmaßstab von 1:5, damit lässt sich auch Kleingetier mit höheren Fluchtdistanzen einfangen. Das Zoom beginnt erst bei 150mm, das ist ein spürbarer Nachteil gegenüber dem Nikon AF-S 80-400VR, denn mit diesem spart man sich die Mitnahme eines 70-200 Objektives. Das hilft aber nicht viel, wenn es dafür nach oben zu kurz ist. Daher muss jeder für sich abwägen, wo die Prioritäten liegen.


Hier einige Beispielbilder, der Eisvogel wurde 500mm und die restlichen Motive mit 600mm aufgenommen :


Ist dieses Objektiv eigentlich eine ernst zu nehmende Alternative zu den viel teureren Superteles?

Diese Frage führt immer wieder zu kontroversen Diskussionen. Für viele ist es einfach undenkbar, dass ein 1000 Euro Objektiv überhaupt mit einer 10-15mal so teuren lichtstarken Festbrennweite verglichen werden könne, da hier Welten dazwischen lägen. Ja - Welten beim Kaufpreis sicher - beim tatsächlichen Nutzen sieht es schon ganz anders aus. Objektive Argumente für die Anschaffung einer teuren Festbrennweite schwinden zunehmend, da selbst die Zoomobjektive für den Amateurbereich immer mehr Boden gut machen. Die Lichtstärke als Garant für ein scharfes Bild ist durch die hochempfindlichen Bildsensoren der Kameras alleine keine Rechtfertigung mehr, der AF wird auch ständig verbessert, die Abbildungsleistung ebenfalls.
Der qualitative Nachteil eines Telezooms schrumpft also zunehmend. Ich gehe noch weiter indem ich sage, es gibt sogar Situationen, in denen das Zoom das bessere Objektiv ist. Bin ich zB. größere Strecken zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs, kann ich Fotos mit einem Telezoom machen oder gar keine, das 600er wäre hierfür zu monströs. Mit einem umgehängten Telezoom bin ich stets "schußbereit", anders als beim 600er, bis ich das ausgepackt und auf dem Stativ montiert habe, vergeht mind. eine Minute - und wieder ist mir ein gutes Bild durch die Lappen gegangen. Das 150-600mm ist daher ein ideales "Immerdabei-Objektiv". Lernt man die Schwächen eines Zoomobjektives kennen, weiß man die Vorteile zu nützen und setzt man es klug ein, wird anhand der Bilder - selbst bei großen Ausbelichtungen - kaum auf das Objektiv geschlossen werden können.
Ein 10.000 Euro Objektiv macht nicht automatisch die besseren Bilder. Da sind andere Kriterien wie die Bildidee, die Aufnahmetechnik, und das korrekte Aufbereiten der Bilddaten weit ausschlaggebender. Vom Preis-/Leistungsverhältnis ist das Tamron 150-600mm den Festbrennweiten jedenfalls deutlich überlegen. Sind jetzt die teuren Festbrennweiten unnötig geworden? Nein, sicher nicht. Es gibt nach wie vor Faktoren, bei denen man mit einem lichtstarken Supertele punkten kann:

  • bei sehr guter Ausgangsschärfe kann man mittels Konverter noch zusätzlich an Brennweite gewinnen.
  • der AF ist durch die höhere Lichtstärke treffsicherer und schneller
  • kürzere Verschlusszeiten bei schwierigen Lichtverhältnissen (Dämmerung, Halle)
  • bessere Abbildungsleistung bei größeren Motivabständen
  • weniger Brennweitenverkürzung bei geringerem Motivabstand
  • weniger Reflexanfälligkeit
  • besseres Freistellvermögen, angenehmeres Bokeh, Selektive Schärfe als Gestaltungsmittel besser anwendbar


Fazit:

Das Tamron 150-600mm sucht momentan seinesgleichen. Der Brennweitenbereich bis 600mm, die überraschend gute Bildqualität, das geringe Gewicht und auch Packmaß, es passt einfach alles, und das bei dem Preis! Bis 500mm ist es uneingeschränkt einsetzbar, nur bei 600m gibt es leichte Einschränkungen. Für mich eine ideale Ergänzung zum 600VR, sei es, um den unteren Brennweitenbereich abzudecken, oder als Alternative wenn es einfach unmöglich ist, das Monster mitzuführen. Entsprechend eingesetzt kann man durchaus erstklassige Bilder damit machen.

PS: Sigma hat nicht lange auf sich warten lassen und in der Zwischenzeit zwei Alternativen geschaffen:
Das ebenfalls 2kg schwere und etwas unwesentlich teurere 150-600/5-6,3 Contemporary ist sowohl von der Verarbeitung als auch der Bildqualität vergleichbar mit dem Tamron 150-600mm, daher eine interessante Alternative. Dann gibt es noch das robustere 150-600/5-6,3 Sports. Auch wenn es vielleicht einen Tick schärfer wäre, die 3,2kg Gewicht (inkl. Streulichtblende und Stativfuß) sind vielleicht noch für Sportfotografen verschmerzbar, für mich als Naturfotografen ein absolutes No-Go, da es dadurch sämtliche Vorteile verspielt. Auch preislich spielt es in einer anderen Liga.