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Licht

  • hervorragende Abbildungsleistung
  • robust und wunderbar verarbeitet
  • ausgezeichnete Handhabung
  • konvertertauglich

Schatten

  • Farbsäume am Rand
  • nur mit neueren Kameras kompatibel

PC-E Nikkor 24mm 1:3.5D ED

06 2008

Ein Objektiv, mit dem man stürzende Linien ausgleichen und Schärfedehnung nach Scheimpflug anwenden kann, war schon seit längerem auf meiner Wunschliste. Bei Großformatkameras sind diese Möglichkeiten schon seit jeher üblicherweise Standard, bei SLRs allerdings ist dies eher ein wenig exotisch. Von Nikon gab es nur die alten und nicht mehr produzierten Shiftobjektive (28mm u. 35mm). Ich überlegte schon einen Umbau des Nikkor 28mm zu einem Tilt/Shift bzw. des Canon 24 TSE auf ein Nikonbajonett. Das wären aber alles nur Notlösungen gewesen, die noch dazu für die digitalen Aufnahmesensoren optisch nicht unbedingt ideal wären. Glücklicherweise bot überraschend Nikon ein hochinteressantes 3,5/24mm PC-E an, da wusste ich, worauf ich sparen konnte.


Erster Eindruck:

Die Verarbeitung ist auf allerhöchstem Niveau und lässt kaum Wünsche offen. Dieses extrem robuste Objektiv ist relativ schwer und groß, man hat das Gefühl ein wertvolles Stück präziser Mechanik in den Händen zu halten. Manuelles Scharfstellen macht wahrlich Freude, da sich der breite und griffige Fokussierring geschmeidig drehen lässt. Das ist auch wichtig, denn einen Autofokus gibt es konstruktionsbedingt bei so einem Objektiv nicht und würde auch kaum Sinn machen. Der Verschwenkmechanismus funktioniert ebenfalls einwandfrei. Die Feststellschraube für das Shiften musste etwas klein ausfallen, da es sonst bei manchen Kameras zu Kollisionen mit dem Prisma kommen würde.


Kompatibilität:

Erstmals baut Nikon bei einem Objektiv eine elektro-magnetisch angesteuerte Blende ein. Es gibt keine mechanische Übertragung mehr vom Gehäuse. Die Funktionsart erfordert aber eine Stromversorgung durch die Kamera, deswegen funktioniert das nur bei Kameras, die auch den VR unterstützen, ansonsten kann man nur mit Offenblende arbeiten, was kaum sinnvoll ist. Sehr schade, dass man es nicht mit einem alten manuellen Gehäuse betreiben kann, das ist der Preis für die bequeme Bedienung an den neuen Bodies. Aber das Objektiv passt nicht automatisch an alle neueren Kameras bzw. nur eingeschränkt, da oft das Prisma im Weg ist. Bei der D200 geht es so einigermaßen, man kann rotieren aber nur bis 9mm Richtung Prisma shiften (anstatt der 11,5mm). So richtig funktioniert es erst ab der D3 und D300, Shiften bis zum Anschlag ist möglich. Ein Novum bei Nikon ist die Springblende an einem Shift/ Tiltobjektiv, die eben auch erst ab den zwei genannten Kameramodellen funktioniert. An einer D2 oder D200 muß man dagegen noch die alte Methode anwenden, zuerst bei Offenblende Scharfstellen, dann Abblenden und auslösen. Glücklicherweise wurde dem Objektiv für diesen Zweck auch eine eigene Abblendtaste spendiert. An einer D300 und D700 gibt es keine funktionelle Einschränkung, allerdings kann man nur nach links rotieren, da sonst der Arretierungsknopf am Prisma ansteht. Ist man das gewöhnt, stört es kaum.


In der Praxis:

Die Bedienung eines solchen Spezialobjektives erfordert doch ein wenig Übung. Beim Verschwenken macht nur eine manuelle Belichtungsmessung Sinn, da die Automatik hier nicht richtig funktioniert. Die Belichtung sollte vor dem Verschwenken ermittelt werden. Für genaues Arbeiten ist ein Stativ unerlässlich. In manchen Situationen funktioniert es aber sogar aus der Hand. Die Einstellung der Schärfe nach Scheimpflug ist nicht so einfach zu bewerkstelligen wie an der weit größeren Mattscheibe einer Großformatkamera und erfordert akkurates Arbeiten.
Auf jeden Fall ist das PC-E eine Linse für die bewusste und entspannte Fotografie, abseits von Hektik und Geschwindigkeit. Es ist einfach wunderbar, wie sich schräge Baumstämme wieder gerade ausrichten lassen und wie sowohl der Vordergrund als auch der Hintergrund durch Schärfedehnung in der Schärfeebene liegen. Umgekehrt kann man durch gezieltes Tilten (um wenig Tiefenschärfe zu erhalten) dem Objektiv Freistellmöglichkeiten entlocken, die sonst undenkbar wären bei 24mm. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Es kann natürlich auch ganz "normal" fotografiert werden, ohne diese Spezialfunktionen. Mit einem Nahbereich von nur 21cm (Abstand von Frontlinse und Motiv etwa 5cm) ist es außerordentlich nützlich für Nahaufnahmen.
Etwas unglücklich ist der Platz für den Arretierungshebel gewählt, nämlich sehr in der Nähe vom Bajonettentriegelungsknopf der Kamera. Wenn man diesen bei am Stativ montierter Kamera dann irrtümlich drückt und glaubt, das Objektiv rotieren zu können, kann das fatale Folgen haben – das teure Objektiv löst sich vom Kamerabajonett und fällt im Sturzflug zu Boden. So etwas in der Art ist mir schon fast passiert.
Die Tilt/Shift Achsen sind im Auslieferungszustand fix 90° zueinander ausgerichtet. Für Naturaufnahmen wäre es jedoch viel sinnvoller, wenn beide Funktionen auf der selben Achse liegen würden. Glücklicherweise lässt sich das mit geringem Aufwand bewerkstelligen. Wer sich diese Umbaumaßnahme nicht selber zutraut, kann das Objektiv dem Nikon-Service dafür anvertrauen.
Den vollen Bildwinkel schöpft man am FX-Format aus, aber auch an einer Cropkamera (DX) kann man es als gemäßigtes Weitwinkel gut einsetzen. Und obendrein funktioniert es auch gut mit einem 1,4x Konverter (zB: der TC14 E mit abgefeilter Nase), wodurch man dann sogar insgesamt 3 Tilt/Shift-Brennweiten zur Verfügung hat (24, 36 u.50mm).


Optische Eigenschaften:

Schärfe und Kontrast sind schon bei Offenblende ausgezeichnet. Abblenden bringt kaum mehr Steigerung in der Mitte, nur am Rand, ab f11 lässt die Schärfe wieder etwas nach. In geshifteter Position ist für eine gute Randschärfe Abblenden ratsam. An einer DX-Kamera kann ohne große Bedenken auch voll geshiftet werden (11,5mm). Am kleinbildgroßen FX-Format sollte in Längsachse wegen der starken Vignettierung nicht über 8mm Versatz eingestellt werden. Bei der Querachse gibt es keine Einschränkungen. Am Bildrand sind mir am Testbild bei starken Hell-Dunkelübergängen Farbsäume aufgefallen, auch abgeblendet. Interessanterweise habe ich das aber bei Naturaufnahmen nie bemerkt. Bei der Architekturfotografie könnte das eher störend sein. Verblüffend finde ich die gute Makrotauglichkeit. Auch im Nahbereich ist die Abbildungsleistung hervorragend. Das Objektiv bietet auch noch mit dem modifizierten TC14 E Konverter sehr gute Ergebnisse (auch im DX-Format) , die Schärfe lässt nur minimal nach. Probleme mit Gegenlicht sind mir überhaupt keine aufgefallen, die Linse dürfte dagegen ziemlich resistent sein. Ganz verzeichnungsfrei ist dieses Objektiv naturgemäß nicht, sie ist ungeshiftet nicht weiter tragisch, voll geshiftet bzw. im Nahbereich doch etwas stärker sichtbar.


Einige Beispielaufnahmen:


Fazit:

Dieses Spezialobjektiv hat einen stolzen Preis, der aber meiner Meinung nach vollauf gerechtfertigt ist. Es ist sehr solide, wunderbar verarbeitet und bietet hervorragende Bildqualität. Außerdem kauft man sich diese Linse einmal und hat unter Umständen ein ausgezeichnetes Werkzeug für Jahrzehnte, ganz anders als bei den digitalen Kameragehäusen, die nach 2 Jahren nur einen Bruchteil des Neupreises wert und veraltet sind. Für mich hat sich in der Naturfotografie ein kleiner Traum erfüllt, da ich jetzt fotografische Ideen umsetzen kann, die vorher nicht möglich waren.