
Licht
- super Abbildungsleistung
- konvertertauglich
- sehr schneller AF
- Eingreifen in AF möglich
- Bildstabilisator
- extrem robuste Konstruktion
Schatten
- sehr schwer
- 2-teilge Streulichtblende unpraktisch
- Original-Stativfuß instabil
AF-S Nikkor 600mm 1:4G ED VR
03 2014
Einige Jahre schon verwendete ich für die Tierfotografie das 500VR. Ein erstklassiges Werkzeug für Wildlife. Wegen der noch guten Tragbarkeit und dem moderaten Gewicht sozusagen für den Tierfotografen die Vernunftlinse schlechthin. Speziell bei der Vogelfotografie war jedoch oft der 1,4fach Konverter erforderlich, um einen zufriedenstellenden Bildausschnitt zu erhalten. So nach und nach wurde die innere Stimme lauter, die nach einem 600VR verlangte.
Als sich diese Gedanke nicht mehr unterdrücken ließ, kam der Entschluss ein Passendes auf dem Gebrauchtmarkt zu suchen. Die Angebote waren sehr dünn gesät. Dann machte ich das, was ich normalerweise bei dieser Preisklasse nicht empfehlen würde, ich besorgte mir ein neuwertiges Exemplar bei Ebay, kein Spass! Der Händler kam mir sehr entgegen und bot mir neben dem Rückgaberecht, den Kauf mit einer Anzahlung an, damit das Risiko etwas aufgeteilt war, das gab mir den Ausschlag für den Entschluss.Es hat alles wunderbar geklappt, das Objektiv kam unversehrt an und ein erster Funktionstest verlief positiv.
Erste Eindrücke:
Eines muss ich aber gleich vorweg sagen: In der Hand ist es ein Monster, 5,1kg wollen auch getragen werden. Freihandaufnahmen sind eine Qual, auf einem entsprechenden Stativ lässt sich dieses Ungetüm allerdings wunderbar zähmen. Die zweigeteilte Gegenlichtblende ist nicht besonders sympathisch, sie ist etwas umständlich in der Bedienung. Ich hatte sogleich den Tipp eines Kollegen angenommen und den äußeren Teil der Geliblende einfach in den Kasten verbannt. Der innere Teil der Geli reicht vollkommen als Schutz gegen Reflexe bzw. Regen und Schnee aus, als positiver Nebeneffekt wird das Packmaß etwas kleiner und obendrein schrumpft das Gewicht um gute 300g auf insgesamt 4,8kg.
Optische Eigenschaften:
Als Nächstes musste das 600VR natürlich gegen das 500VR antreten. Getestet wurde mit der hochauflösenden D800, die deckt Schwächen gnadenlos auf. Es zeigte sich, dass bei Offenblende das 500VR ganz leicht die Nase vorne hatte, abgeblendet gab es keine sichtbaren Unterschiede. Zwecks Interesse habe ich dann mein 600VR mit dem eines Kollegen verglichen, da gab es auch bei Offenblende vergleichbare Ergebnisse. Was mich dann überrascht hat, das 600VR harmoniert sehr gut mit Konvertern, vor allem mit dem TC-14E. Die Ergebnisse sind da sogar etwas besser als beim 500VR. Für max. Qualität im Konvertereinsatz ist Abblenden ratsam, aber nicht zwingend notwendig. Selbst der Einsatz mit dem TC-20E wäre möglich. Allerdings handelt es sich dann schon um eine extreme Kombination. Da muss schon alles passen, um ein Verwackeln zu verhindern. In der Praxis ist es meist sinnvoller, den 1,4x Konverter zu verwenden und das Bild entsprechend zu beschneiden.
Hier ein paar 100% Crops. Die Unterschiede zw. dem 500VR und dem 600VR sind schon eher marginal
Im Einsatz:
Schärfe alleine ist aber nicht alles, es gibt noch einen wesentlich Vorzug dieser Linse, der in der Praxis begeistern kann: Das Motiv lässt sich wunderbar vom Hintergrund isolieren. Ist er zu unruhig, kann einem das das Bild versauen. Das ist auch der Grund, warum ich in manchen Situation selbst in Verbindung mit Konverter bewusst nicht abblende, um auf Kosten von ein paar Prozent Schärfe einen ruhigen Hintergrund zu erhalten. Ich war schon immer vom cremigen Bokeh der 500VR begeistert, das 600VR jedoch legt da noch einen Zahn zu.
Über den AF gibt es nichts Negatives zu berichten, der ist treffsicher und schnell. Der Verstellweg läßt sich nochdazu auf 10m bis unendlich begrenzen. Mit Konvertern verlangsamt er sich etwas, findet aber dennoch problemlos zum Schärfepunkt. Wie gewohnt sind auch die programmierbaren AF-Stopp Tasten vorhanden, allerdings verwende ich die praktisch nie, für meine Arbeitsweise sind die eher unerreichbar, da sie weit vorne positioniert sind.
Die Vignettierung ist für mich kaum ein Thema. Sie ist bei Offenblende auf FX vorhanden, für meinen Einsatzzweck (Tierfotografie) aber ziemlich irrelevant. Das 600VR muss aber nicht zwingend an einem Stativ angeflascht sein. Freihand ist auf Dauer vielleicht nicht die beste Alternative, es sei denn als Krafttraining, mit dem Bohnensack habe ich aber sehr gute Erfahrungen gemacht. Egal ob liegend im Gelände oder auf die Autotür aufgelegt, damit lassen sich gute Ergebnisse erzielen. In so einem Fall hilft der gut funktionierende Bildstabilisator wunderbar, die Zuschaltung mittels gut erreichbaren, verdrehbaren Ring ist vorbildlich. Es gibt zwei Modi, Normal und Active. In einer Ausnahmesituation, wo es nicht möglich war, ein schweres Stativ mitzunehmen, hatte ich das 600VR sogar auf ein leichtes Manfrotto 190 Stativ (allerdings mit eingefahrenen Stativbeinen) montiert, dank VR konnte ich auf diese Art einwandfrei scharfe Bilder machen.
Wenn es etwas zu bemängeln gibt, dann ist das der Stativfuß. Warum der eine so große Bauhöhe braucht, entschließt sich meiner Kenntnis. Das Objektiv wird dadurch unnötig sperrig, unhandlich und am Stativ vibrationsanfällig. Aus all diesen Gründen habe ich ihn wie beim 500VR gegen einen passenden Kirk-Fuß ausgetauscht. Der ist viel niedriger, stabiler und hat sogar eine integrierte Arca-Swiss Aufnahme - also eine ideale Alternative. Als sinnvolles Zubehör ebenfalls sehr empfehlen kann ich Lenscoat, das ist eine tarnfarbene Neoprenhülle. Das Objektiv greift sich dadurch auch bei Minusgraden angenehm an, es ist dämpft gut mechanische Einflüsse bzw. verhindet Kratzer und nebenbei wird es durch die stumpfe, nicht reflexierende Oberfläche für scheue Wildtiere unsichtbarer.
Hier einige Beispielaufnahmen:
Fazit:
Tierfotografen, die leidensfähig sind und gute Bandscheiben haben, werden mit diesem Objektiv große Freude haben. Die Bildqualität ist ausgezeichnet - in dieser Preisklasse darf man das auch erwarten - und der AF tadellos. Man kann es auch noch gut am Einbein bedienen, dann ist der VR hilfreich. Ein solider Unterbau (Stativ+Kopf) ist aber Voraussetzung für scharfe Aufnahmen vom Stativ. Die Brennweite ist noch einigermaßen flexibel, da man mit Konverter erweitern kann. Das 800VR dagegen fängt eben erst bei 800mm an, da hätte ich sicher in einigen Situationen wg. dem engen Bildausschnitt den Limikolen im Seewinkel die "Flügel gestutzt" bzw. "Füße abgeschnitten".